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Datum: Dienstag, 27. Juni 2006, 19:00 Uhr
Ort: Cinema
Sprache: Engl. OmU

Dieser Film hat 218 Dollar gekostet und geht damit als der wohl billigste Independent-Hit aller Zeiten in die Kinogeschichte ein. Sein Regisseur hat niemals professionell mit Film zu tun gehabt und kennt nur ein einziges Thema: sich selbst und seine Familiengeschichte. Die allerdings hat es derart in sich, dass „Tarnation“ in den USA zum Festivalerfolg sondergleichen avancierte und die Indie-Ikonen Gus Van Sant (Elephant) und Cameron Mitchell (Hedwig and the Angry Inch) auf den jungen Jonathan Caouette aufmerksam machte, die zu seinen Förderern wurden.

Jonathan Caouettes Biografie erscheint wie eine Daily-Horror-Soap. Seine Mutter Renee wird in ihrer Jugend wegen einer vorübergehenden Lähmung mit brutalen Stromschocks behandelt und entwickelt eine lebenslange schizophrene Störung. Als vaterloses Kleinkind sieht Jonathan mit an, wie seine Mutter vergewaltigt wird. Mit elf Jahren inszeniert er sich zum ersten Mal selbst vor einer Super-8-Kamera und imitiert eine hysterisch schluchzende, verfolgte Frau. Später dreht er ultrabilligen Underground-Trash über blutspuckende Großmütter, noch später zieht der Junge, dem eine krankhafte Selbstwahrnehmung diagnostiziert wird, nach New York und verwurstet die eigenen Traumata und die Bemühungen um seine kranke Mutter in einer Art Videotagebuch – so radikal selbstreflektiv wie schonungslos peinlich und ästhetisch innovativ. „Tarnation“ nun ist aus unzähligen persönlichen Aufzeichnungen und Artefakten am Heimcomputer montiert, verarbeitet Videoschnipsel, Familienfotos und Anrufbeantworter-Nachrichten und fährt dem Betrachter mit unbedingtem Selbstentblößungs-Willen unter die Haut.

USA 2003. 88 Min. Regie, Buch und Kamera: Jonathan Caouette. Schnitt: Jonathan Caouette und Brian A. Kates. Mit: Renee Leblanc, Jonathan Caouette, Adolph Davis, Rosemary Davis, David Sanin Paz u.v.a.



Illsutration